Ein Blick in die Glaskugel für 2025

Der Vorausblick in meinem Blog steht in einer Tradition, die jetzt schon zehn Jahre alt ist, die der vorigen Jahre finden Sie über https://fotoschule.westbild.de/?s=Glaskugel&submit=Suchen
Es geht wie immer vorrangig um die Entwicklung in der Fototechnik, auch wenn ich manchmal darüber hinausblicke. Das liegt nicht nur daran, dass auch außerhalb wichtige Entwicklungen passieren, sondern auch an der kleinen Größe des Fotomarkts. Wenn Sie sich leidenschaftlich für die Fotografie interessieren, wird er Ihnen größer vorkommen als er ist. Aber überlegen Sie einmal, wie viele „normale“ Menschen sie kennen, die noch regelmäßig mit einer Systemkamera unterwegs sind und wieviele Fotogeschäfte es in Ihrer Stadt noch gibt.

Schätzen Sie mal, wie groß die Anteile der Fotosparten an den Unternehmen bei Canon und Sony sind, die die Marktführer in diesem Bereich sind. Bei Canon beträgt der Anteil laut Geschäftsbericht 2023 20,6% und da sind die Überwachungskameras und die Fernsehübertragungstechnik schon mitgezählt.
Bei Sony ist es etwas komplizierter. Der Anteil des Umsatzes im Sensorgeschäft kommt zu 75% aus dem Smartphonebereich. Die größeren Sensoren, zu denen auch die für andere Kamerahersteller wie Fujifilm zählen, liegt bei 15%. In der Unterhaltungselektronik, zu der Sony die Kameras zählt, liegt der Anteil der „Still- and Videocameras“ bei 26%. Die Bereiche Sensor und Unterhaltungselektronik zusammen sind kleiner als der der Videospiele und Sony verdient mit Versicherungen genauso viel wie mit den Sensoren. Die Bereiche Film und Music sind ebenfalls ähnlich groß.
Canon und Sony könnten aufhören, Kameras zu bauen, ohne dass dies die Konzerne ernsthaft gefährden würde. Bei Nikon sieht das anders aus, der Großteil des Umsatzes kommt aus dem Kamerabereich mit allerdings nur geringen Gewinnen.
Immerhin steigen die Umsätze der Branche wieder an, nachdem es massiv abwärts ging, der Trend zu größeren Sensoren und hochwertigeren Kameras trägt dazu bei.

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Eines meiner ersten 4×5″-Negative, seit ich wieder analog fotografiere. Eine Ruine, die zum Stahlwerk Dortmunder Union gehörte.

Ein Bereich, den wir fast aus den Augen verloren haben, wächst ebenfalls, sowohl von den Umsätzen als auch vom Produktangebot: Der der analogen Fotografie. Selbst Kinofilme werden wieder verstärkt auf Film gedreht. Auch ich habe wieder angefangen, analog zu arbeiten, nachdem ich vor gut 20 Jahren mein gesamtes professionelles Equipment für die analoge Fotografie verkauft hatte. Ich habe in meinem Leben Jahre im Labor verbracht und dachte, das wäre mir bis zum Lebensende genug. Ich war also nicht leicht umzustimmen. Ich besitze nun wieder eine Großbildausrüstung für 4×5″ und habe die analoge Kleinbildausrüstung, die sich bei mir im Zusammenhang mit meinem Objektivbuch gebildet hat, um einen Jugendtraum erweitert und mir eine Nikon F3 gekauft. An Weihnachten waren diesmal drei Menschen mit einer analogen Kamera dabei, im letzten Jahr war es noch keiner. Der Trend ist bei der Generation 20+ noch deutlich ausgeprägter.

Lange Jahre die Profikamera Nr.1, auch heute noch ein zeitloser Designklassiker, entworfen von Giorgetto Giugiaro: Die Nikon F3

In diesem Zusammenhang erscheinen auch neue analoge Kameras auf dem Markt wie die Leica M6, die etwas seltsame Rollei 35 AF oder die Pentax 17. Die Pentax 17 verwendet das Halbformat, so dass 72 Bilder auf einen 36er Film passen. Das ist geschickt, weil es so etwas auf dem Gebrauchtmarkt seltener gibt und weil Film teurer geworden ist. In diesem Jahr soll auch die Wideluxx von Jeff Bridges (ja, der von The Big Lebowski) auf den Markt kommen, eine Panoramakamera mir einem X mehr als im Original-Namen.
Wenn Sie sich etwas umschauen, werden Sie auch Filme finden, die noch sehr gut bezahlbar sind. SW für unter 6 € pro 36er Film ist kein Problem, Farbnegativfilme finden Sie ab gut 7 €.

Zurück zu den Digitalkameras: In der Bildqualität sind keine Sprünge mehr zu erwarten, wenn man es genau nimmt, ist seit der Sony A7 R II nicht mehr viel passiert. Die aktuelle Kamerageneration macht sogar leichte Rückschritte in Dynamikumfang und ISO-Leistung, um den Sensor schneller auslesen zu können. Das ergibt weniger Rolling Shutter, die Möglichkeit, auch bei elektronischem Verschluss zu Blitzen und eine genauere Datengrundlage für den AF. Das war für mich Grund genug, meine letzte Kamera zu kaufen. Bei der Auflösung wäre zwar noch Einiges möglich, aber wenn man ehrlich ist, sind für die meisten Anwendungsfälle 24 MP völlig ausreichend und 45 MP auch für deutlichen Beschnitt gut geeignet. Zumal es immer anspruchsvoller wird, die nötige Schärfe, die für die Nutzung der Auflösung gebraucht wird, auch zu erreichen. Im Videobereich sind 8K60 auch schon mehr, als die meisten jemals brauchen werden, zumal die Kameras Raw-Daten aufzeichnen können. Voraufnahme, Focus-Stacking, High-Res-Multishot sind in den besseren Kameras auch schon drin. Die Sucher sind inzwischen auch sehr gut, wenn auch eher in den teureren Kameras. Der AF hat noch etwas Luft nach oben, aber ist schon besser als es für die allermeisten Zwecke gebraucht wird. Losfliegende Insekten und ähnliche Härtefälle sind noch wirklich schwierig, aber das meiste sitzt mit wenig Ausschuss. Ich will damit nicht sagen, dass nichts mehr Neues kommen wird, aber es wird schwieriger werden, die Menschen von der „Notwendigkeit“ einer neuen Kamera zu überzeugen.

Ich vermute, es wird vermehrt Produkte geben, die um den Will-Haben-Faktor herumgebaut werden. Schönes Retrodesign, handliche Kameras mit festem Objektiv und guter Bildqualität oder moderne Designklassiker sind Beispiele. Ich denke, wir werden bald eine Mittelformat-Kompaktkamera sehen und ich könnte mir auch gut ein less-is-more-Konzept vorstellen, das nur das beinhaltet, was man wirklich verwenden möchte und den Spielkram und die Anfängerprogramme komplett weglässt. Zeitautomatik und Manuell reichen als Betriebsarten völlig aus, Raw als Dateiformat auch und bei AF würde ich mit einem Einzelfeld und dem Gesamtbereich jeweils mit der Möglichkeit der Motivverfolgung auskommen. Man könnte 80% aus einer aktuellen Digitalkamera rausschmeißen, ohne dass den meisten etwas fehlen würde. Und dafür mit einem klaren Bedienkonzept und aufgeräumten Menüs punkten.

KI wird ein Megatrend bleiben, die Motiverkennung des AF, die Bildbearbeitung, die Vorauswahl der Bilder etc. können davon sehr profitieren. Aber die negativen Effekte werden auch zu starken Gegenbewegungen führen. Gerade die generative KI hat jetzt schon zu einer sehr starken visuellen Vermüllung beigetragen, die besonders für den Bodensatz des Marketings interessant ist („Treppenlifte ohne Installation“, „E-Autos für Senioren“, „Dieser verblüffende Trick löst Bauchfett“, „Unglaubliche Wasserstoff-Aktie“ u.v.m). Sehr lustig sind auch die Vorher-Nachher-Bilder für Anti-Falten-Kosmetik, 20 Jahre jünger nur durch ein anderes Prompt, dafür liegt jedes einzelne Haar identisch. Auf Instagram erscheinen Reels mit 6 Mio. Views, die irgendwelche Explosionen oder Naturkatastrophen zeigen, bei denen das Vorschaubild eigentlich schon klar macht, dass die KI-generiert sind, Aber offensichtlich nicht jedem. Ich hätte gedacht, dass es inzwischen irgendeine KI-Arbeit gäbe, die mich wirklich überzeugen würde, aber das ist noch nicht passiert. Dafür habe ich sehr viel Schrott gesehen, der teilweise vollautomatisch von Bots rausgehauen wird oder von Troll-Factories erstellt wird („Omas Rezepte“, Kitsch-Accounts, Russentrolle).
Es ist nicht so, dass ich den Bereich nicht technisch interessant finde, ich habe sicher mehr Generative Text- und Bild-Systeme ausprobiert oder auch lokal installiert als die meisten. Aber für meine eigene professionelle Arbeit habe ich das nur genutzt, wenn ich darüber berichtet habe. Künstlerisch hat das eher eine Gegenbewegung ausgelöst, hin zu dokumentarischer und auch zu analoger Fotografie. Wenn alles immer effizienter, schneller und beliebiger wird, hin zur Langsamkeit und weg von der Manipulation. Bei der KI selbst sehe ich einen Trend zu lokalen Systemen, wo dies technisch ausreicht, NVidias GB10 ist ein Beispiel für diesen Trend.

Die Versorgungslage für die analoge Fotografie wird wieder besser und die Kameras sind immer noch sehr günstig zu haben. Die Nikon FE habe ich für 20€ auf dem Flohmarkt gekauft, die Mattscheibe wieder eingesetzt und die Lichtdichtungen erneuert.

Da wir gerade bei der Manipulation sind: Social-Media wird auch eine Umwälzung erfahren, das Wort, dass am besten die Entwicklung der etablierten Plattformen beschreibt ist „Enshittification„, über X vormals Twitter müssen wir gar nicht reden, ich habe meinen seit 2008 bestehenden Account im letzten Jahr für immer gekündigt, die Plattform ist tot und wird auf Dauer nur noch einer bestimmten Szene attraktiv erscheinen. Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp und u.a. eine VR-Plattform, die nicht ins Fliegen kommt) fängt aber auch schon an zu riechen. Auch wenn man Soziale Netzwerke nicht so leicht klein kriegt, weil die Kontakte dort eine starke Basis bilden, die viele nicht gerne aufgeben, sind Absetzbewegungen zu verzeichnen. Myspace, Lycos oder StudiVZ sind auch verschwunden, obwohl die Menschen dort gut vernetzt waren, was aus TikTok wird, wenn das ein Trump-Buddy kauft, ist auch ungewiss. Alternative Dienste wie Bluesky sind jedenfalls im Aufwind, auch wenn ich nicht damit rechne, das FB und IG so schnell abstürzen werden wie X. Instagram bekommt auch Konkurrenz von Flashes, das auch auf dem Bluesky-Protokoll basiert.
Ich denke, das Techniken, die die Echtheit von Bildern nachweisen können, in Zukunft Marktbedeutung erhalten. Das so etwas wie Content Credentials erst in der Leica M11P zu finden ist und nicht in den aktuellen Profikameras (außer der Z6 III) der anderen Hersteller, verwundert mich. Für die Klügeren werden die großen Pressehäuser mit großer Glaubwürdigkeit wieder wichtiger werden, weil diese die Ressourcen haben, um wirklich gründlich zu recherchieren und die Fakten zu checken. Auch bei denen wird einmal etwas daneben gehen, aber das wird dann auch nachträglich sauber kommuniziert. Für erschreckend Viele werden beliebige Internet-„Informationen“, Propaganda und Tik-Tok-Videos allerdings ausreichen, um sich eine Meinung zu bilden oder um zumindest hinreichend verwirrt zu sein, so dass sie sehr manipulierbar werden. Es ist erschreckend zu sehen, womit sich die Unzufriedenen dann zufriedengeben.
Leider ist das Maß auf Aufregung und Aufmerksamkeit, dass man erzeugen kann, oft wichtiger als Wahrheit, Vernunft und gute Konzepte. Ich würde mir deswegen wünschen, dass alle, die das Spiel durchschauen, nicht mehr dabei mithelfen, die Sauen der Populisten durch das Dorf zu treiben, sondern eher mit „die ignorieren wir nicht mal“, wie wir im Norden sagen, reagieren.

Zurück zur Fotografie: Bei den Objektiven ist noch vieles möglich, auch manches, dass wir noch gar nicht auf dem Schirm haben. Kurzfristig werden Produkte auf den Markt kommen, die keine bestehenden Objektive ersetzen, sondern neue Kategorien bilden. Die Tilt-Shift-Objektive mit AF, die Canon in Planung hat, sind ein Beispiel, Zooms werden lichtstärker und leichter werden können, Festbrennweiten können auch mit günstigen Techniken eine gute Qualität erreichen, wenn man die Software der Kamera hinzuzieht. Auf lange Sicht sind sogar vollständig neue optische Techniken zur Bilderzeugung wie MDLs vorstellbar.
Auf der anderen Seite ist eine technische Perfektion keine Voraussetzung für künstlerische Qualität. Die meisten bedeutenden Werke der Fotogeschichte sind mit Objektiven gemacht worden, die drei bis sieben optische Elemente hatten und deren Bildfehler zur Tiefe und Seele der Aufnahmen beigetragen haben, ohne dass sie den Charakter eines Effekts hatten. Ich denke, das nächste Jahr wird uns die Gelegenheit geben, uns wieder mehr auf das Wesentliche der Fotografie zu besinnen, denn die Fotografie wird 2026 ihren 200. Geburtstag feiern.

Was aus den ersten 200 Jahren der Fotografie übrig blieben wird, liegt auch an uns. Die aktuelle Technik wird nicht lange überleben, Computerchips haben eine begrenzte Lebensdauer, neuere noch mehr als ältere, da bestimmte Redundanzbauweisen bei hochintegrierten Chips unwirtschaftlich werden. Effekte, die Fachleuten unter den Abkürzungen HCI, BTI oder EM bekannt sind, sorgen dafür, dass elektronische Bauteile ihre elektrischen Eigenschaften in einem Maße verlieren, die ihre Nutzung irgendwann unmöglich machen. Im Fotobereich kennen wir das z.B. von den FireWire-Chips älterer Nikon-Scanner, die auch als unbenutzte Austauschchips nach kurzer Zeit unzuverlässig werden und dann bald ganz den Geist aufgeben. Bei den ersten elektronischen Kameras ist oft Korrosion durch mangelhafte Abdichtung der Grund für ihr Versagen, aber viele funktionieren auch deswegen nicht mehr, weil die Chips sich zersetzt haben. Leider gilt dieses Problem auch für Objektive, die nur noch per steer-by-wire funktionieren und sich mechanisch nicht mehr scharfstellen lassen. Sie heben vielleicht auch noch das Korrosions-Problem der Leica M9-Sensoren im Gedächtnis.

Notre Dame, Paris, 1893. Obwohl sich die Gelatine auf dem Glasnegativ zum Teil aufgelöst hat, erzählt das Bild immer noch viel aus dem Paris von 1893.

Umso wichtiger ist, wie wir mit den Apparaten und Objektiven umgehen, die noch aus mechanischen und analogen Zeiten stammen. Viele haben das Zeug, wirklich alt zu werden und zu geschichtlichen Zeugen zu werden, die sich auch in ferner Zeit verwenden lassen. So lange müssen wir Menschen es erstmal schaffen, wenn wir uns weiter mit Leuten wie Pete Hegseth in so wichtigen Positionen wie dem Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten zufriedengeben (die Abstimmung ist noch im Gange, während ich diese Zeilen schreibe / Update: Er hat es leider geschafft mit der Mindestanzahl der Stimmen). Wer weiß, vielleicht können wir uns irgendwann alte Microchips im 3D-Drucker nachbauen und alte Elektronik selbst restaurieren, wahrscheinlicher ist es aber, dass die schöneren Kameras funktionslos in der Vitrine landen und der Rest langsam verschwindet.

Cathédrale Notre-Dame de Chartres 1890s
Cathédrale Notre-Dame de Chartres in den 1890er Jahren. Glasnegativ aus meinem Besitz

Wir sollten uns auch um Fotografien kümmern, die zwar chemischen Einflüssen ausgesetzt sind, aber trotzdem eine lange Lebensdauer haben und natürlich digitalisiert werden können. Glasplatten aus dem 19. Jahrhundert bekommen Sie heute teilweise hinterhergeworfen, wenn sich fast niemand findet, der ihren Wert erkennt, landen Sie im Müll oder vergammeln in feuchten Kellern. Ich wiederhole mich, aber gucken Sie mal, was Sie persönlich für die nachfolgenden Generationen retten können. Mich besorgt auch, wie sehr die Qualität der historischen Aufnahmen im Internet abnimmt, weil irgendwelche Trottel meinen, die Bilder mit KI verbessern zu müssen oder gleich neue Bilder zu schaffen von Ereignissen, zu denen es keine Originale gibt. Ich vermute fast, dass man die Zeit von der Erfindung des Internets bis zur Erfindung der Generativen KI später mal als eine Art Goldenes Zeitalter auffassen wird, in der Online-Inhalte eine später kaum noch erreichte Qualität aufwiesen. Das KI-Modelle kollabieren, weil sie zu viel KI-generierte Inhalte verdauen müssen, ist jedenfalls heute schon ein reales Problem.

Noch einmal zurück zur Fototechnik: Ich erwarte eine Reihe von neuen Kameras, die die Schwächen der Vorgängermodelle beheben. Die EOS R7 ist eine gute Kamera, aber der elektronische Verschluss wird zu langsam ausgelesen. Das wird bei der R7 Mark II anders sein, zudem wird die Voraufnahme richtige Raw-Aufnahmen speichern und nicht ein Sonderformat wie bisher. Bei Nikon wird die Voraufnahme hoffentlich auch nicht mehr auf das JPEG-Format beschränkt sein. Sony wird eine A7R VI herausbringen, die keine Einschränkungen im AF zu Gunsten der Bildqualität mehr haben wird. Die Auslesezeiten bei elektronischem Verschluss werden noch kürzer werden, manche Kameras werden gleich auf einen Global Shutter setzen, der praktisch gleichzeitig ausgelesen werden kann. Das macht Blitzgeräte mit kürzeren Abbrennzeiten sinnvoll, denn die möglichen Blitzsynchronzeiten werden kürzer werden als die Zeit, in der der Blitz sein Licht abgibt. Mit offenen Blenden gegen das Tageslicht anzublitzen, ohne HSS nutzen zu können, wird so möglich, setzt aber für optimale Ergebnisse neue Blitzgeräte voraus.

Das wird alles so technisch so gut, dass es die Anforderungen für die meisten fotografischen Aufgaben übererfüllt, die hochkorrigierten Objektive liefern zusammen mit der Softwarekorrektur so exakte Ergebnisse, dass auch wieder einen Bedarf an weniger perfekten Abbildungen geben wird. Das ist kein neues Phänomen, ich habe hier ein Buch vor mir liegen, in dem sich Hans Windisch aus Berlin über „jene niederschmetternde mikroskopische Genauigkeit, die das moderne Objektiv z.B. bei Porträts gibt“ beklagt. Das steht im „Photofreund Jahrbuch“ Jahrgang 1929/30. Es ist kein Wunder, dass z.B. ein Biotar 75mm f1,5-Nachbau aus chinesischer Produktion hohe Verkaufszahlen erreicht hat. Das ist eine Konstruktion aus den 30er Jahren, die sicher keine perfekte Bildschärfe erzeugt, aber einen sehr eigenen Charakter hat, der sich mit irgendwelchen nachträglich hinzugefügten Effekten überhaupt nicht vergleichen lässt.

Das TTArtisan 75mm f1,5. ein Biotar-Nachbau, erzeugt ein sehr spezielles Bokeh

In manchen Bereichen sind wir bereits an den technischen Grenzen angelangt, die Quantenausbeute, d.h. die Effektivität der Messung von eintreffenden Photonen, ist heute schon so hoch, dass keine ganze Blende Steigerung mehr drin ist. Nur wenn die Filter vor dem Sensor verschwinden würden und die Farbe über die Eindringtiefe in den Sensor gemessen würden, wie es Sigma mit der Foveon Technik versucht, wäre noch mehr drin, weil dann nicht zwei Drittel des Lichts ausgefiltert würde, um die Farbe aufzeichnen zu können. In der Praxis ist die Technik aber mit anderen Schwierigkeiten behaftet, so dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie mittelfristig an den Bayersensoren vorbeizieht. Um Quantenpunktsensoren, die auch Vorteile bieten könnten, ist es eher ruhig geworden im Moment. Ich will damit nicht sagen, dass es nie einen Technologiesprung geben wird, aber ich rechne damit, dass die Verbesserungen bei neuen Sensoren hauptsächlich die Schnelligkeit und die Auflösung betreffen werden, dass wir bei Dynamikumfang und ISO-Leistung aber erstmal auf einem Plateau angekommen sind, von dem es auch nicht mehr so weit nach oben gehen wird. Beim Dynamikumfang lässt sich immerhin die Lichterzeichnung noch deutlich verbessern, z.B. über Dual-Gain-Sensoren. Die Schattenqualität ist aber dadurch begrenzt, dass bei schwachem Licht nicht mehr genug Photonen für alle Sensorpixel auftreffen und wir deren Aufzeichnung auch gar nicht mehr deutlich verbessern können.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Jahr, vielleicht hilft Ihnen die Fotografie („shutter-therapy“) ja, etwas Ruhe und Erfüllung zu finden in Zeiten, die etwas anstrengend werden. Große Teile der Aufregung sind allerdings künstlich und man kann denen aus dem Wege gehen, ohne etwas zu verpassen. Es ist bei social media leider so, dass die Inhalte am besten zur Interaktion führen, die Streit provozieren. Das wird in den nächsten Jahren nicht besser werden, es kommen noch viel mehr KI-Bots dazu und Sie werden immer weniger sicher sein können, ob ein Akteur menschlichen Ursprungs ist. Verwenden Sie lieber reallife™, und gehen Sie raus und fotografieren, das kann auch analog sein.

Ein Blick in die Glaskugel für 2024

Der Blick nach vorne in das kommende Jahr ist auf meinem Blog schon Tradition. Natürlich geht es dabei hauptsächlich um die Fotografie und ihre Technik, wenn ich auch gelegentlich etwas darüber hinausblicke. Die vorigen Artikel finden Sie über die Suche: https://fotoschule.westbild.de/?s=Glaskugel&submit=Suchen.

Im letzten Jahr ist endlich der Global Shutter, den ich seit Jahren erwarte, in einer Profikamera Wirklichkeit geworden. Ein Global Shutter ist in der Lage, das gesamte Bild gleichzeitig auszulesen, so dass schnelle Bewegungen nicht verzerrt erscheinen, Schwenks im Video nicht zu Schrägen führen und mit sehr kurzen Zeiten geblitzt werden kann. Bei der Sony α9 III beträgt die Blitzsynchronzeit 1/80.000s statt 1/250s, wie bei vielen üblichen Kameras. Ein Kamerablitz auf voller Leistung leuchtet ca. einhundertmal länger.

Das genaue Gegenteil eines Global Shutters hat die Fujifilm GFX 50R eingebaut. Die Auslesezeit bei elektronischem Verschluss beträgt eine Drittelsekunde und führt zu so absurden Verzerrungen.

Ich denke, dass es bald mehr Kameras mit dieser Technik geben wird, aber die Entwicklung nur recht langsam stattfinden wird. Denn erstens ist diese Technik noch sehr teuer umzusetzen und zweitens verschlechtert sie die Bildqualität ein wenig. Als Faustregel kann gelten, dass der Global Shutter ca. eine Blendenstufe an ISO-Leistung frisst. Auch ohne Global Shutter werden die Auslesezeiten der Bildsensoren aber immer kürzer, so dass der Rolling-Shutter-Effekt geringer wird und mit dem leisen, elektronischen Verschluss geblitzt werden kann. Ich erwarte auch, dass neue Blitzgeräte auf den Markt kommen werden, die besser an die neuen Möglichkeiten der Kameras angepasst sind.

2024 kommt wahrscheinlich die Einführung von Quadpixel CMOS AF bei Canon. Der bisherige Dualpixel AF scheitert bei waagerechten Linien (im Querformat), weil sich die nebeneinanderliegenden Pixel nicht unterscheiden. Die übereinanderliegenden würden das sehr wohl tun, wenn man ein Quadrat von 2*2 Pixeln auswertet, wird der AF noch einmal schneller und genauer, auch wenn das nur in wenigen Situationen einen großen Unterschied machen wird. Ich erwarte von Canon zwei wichtige Kameras, einmal das Topmodel R1, dass zur Olympiade zumindest den dort akkreditierten Fotografen zur Verfügung stehen muss, und die R5 Mark II, die auch bald fällig ist, ich werde mich dann hier gesondert mit ihr beschäftigen.

KI wird der übergreifende Megatrend bleiben. es kommen bald Computer und Betriebssysteme, die als KI-Systeme beworben werden und viel Aufgaben auch lokal erledigen können, ohne dafür ständig mit einem Server in Verbindung zu stehen. Die KI-Revolution ist schneller als die letzten, schon ein Jahr nach den ersten wirklich öffentlichen Systemen gab es in der FAZ „Das Prompt der Woche“. Ich erwarte eine weiter sehr schnelle Entwicklung, nicht frei von Rückschlägen und Enttäuschungen, mit auf Dauer soliderer Basis als „Wir klauen einfach alles und trainieren damit unsere Modelle“, aber auf mittlere Sicht sehr erfolgreich und auf lange Sicht wird sie uns vor sehr interessante Herausforderungen stellen, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Social Media wurde auch ohne KI schon sehr manipulativ verwendet. Aber auch die Tatsache, das emotionale Impulse und Aufreger mehr Interaktion hervorrufen als differenzierte Information, hat zur Polarisierung und Verflachung des politischen Diskurses geführt. Mit KI wird es noch leichter werden, zielgerichtet zu manipulieren. Die Werbe-Industrie hat gewaltige Datenberge gesammelt, die helfen werden, die Menschen in Gruppen einzuteilen und ihnen das vorzusetzen, was am besten auf sie wirkt. Manchmal auch nur mit dem Zweck, Zwietracht zu sähen und die Gesellschaft auseinander zu treiben oder Propaganda zu verbreiten.

Ab einem bestimmten Punkt beginnt ein neues Kapitel in der Menschheitsgeschichte, in der sich die weitere Entwicklung auch vom Menschen abkoppeln kann. Die Frage ist jedenfalls nicht nur, was die KI für uns sein wird, sondern auch, was wir für die KI sein werden. Natürlich ist sie jetzt noch sehr begrenzt und macht lustige Fehler. Aber das waren wir auch, als wir zwei Jahre alt waren. Im Unterschied zu uns ist ihre Entwicklung aber nicht durch einen Schädel begrenzt, in den nur ein Gehirn von der Größe zweier Fäuste passt, sondern diese baut auf eine Technik, die sich, wenn das Mooresche Gesetz noch passen sollte, alle 18 Monate in ihrer Leistung verdoppelt und somit exponentiell wächst. Die technische Entwicklung beschleunigt sich aber zusätzlich durch die Intelligenz, die ihr zur Verfügung steht.

Die Generative Bild-KI wird immer besser, die neueste Midjourney-Version liefert teilweise Ergebnisse, die so nah an den geklauten Originalen sind, dass spätestens dies zu Copyright-Verfahren führen wird. Das kann auch den Anwender betreffen, der die Ergebnisse kritiklos weiterverwendet. Ich gehe davon aus, dass dieses Thema in 2024 deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten wird.

So stellt sich Stable Diffusion einen Fotografen vor. Nach den charmanten Fehlern der KI in der Anfangszeit werden wir uns irgendwann zurücksehnen.

Bislang finde ich Generative KI zwar spannend und technisch interessant, die Ergebnisse lassen mich aber kalt. Das meiste ist Kitsch, der Rest auch nicht viel interessanter. Ich denke schon, dass auch da bessere Werke kommen werden, aber wir auf der anderen Seite mit Müll zugeschmissen werden, eben weil die Erzeugung so schnell und billig möglich ist und es vielen auch einfach egal ist, Hauptsache es kostet nichts oder fast nichts. Für mich hat KI-Look in der Werbung deswegen schon etwas Unseriöses bekommen, auch weil es sich einreiht in die Scam-Werbung, die bei manchen Webseiten erscheint, wenn man zu weit nach unten scrollt.

Auf der anderen Seite wird es schwieriger werden, KI von Fotografie zu unterscheiden. Deswegen werden in Profi- und Semiprofikameras Methoden eingebaut werden, sicher den Autor, Ort und Aufnahmezeitpunkt abzuspeichern, und in der Bildbearbeitungssoftware die Bearbeitungsschritte vollständig erfasst werden. Bilder ohne interne Dokumentation werden zumindest im Pressekontext immer schwerer zu verkaufen sein, so dass auch Kameras, die das nicht können, immer mehr vom Markt verschwinden werden.

KI wird sicher auch Gegentrends hervorrufen. Ich habe an mir selbst schon vor KI eine deutliche Hinwendung zur dokumentarischen Fotografie ohne jede Retusche festgestellt. Die analoge Fotografie kann auch deutlich profitieren, allerdings machen die immer mehr steigenden Filmpreise einen Erfolg wie den von Vinyl-Schallplatten unwahrscheinlich.

Polaroid 55 lieferte ein gutes SW-Negativ zusammen mit einem Positiv. Manche Freuden der analogen Fotografie sind leider vorbei, das Material verschwand 2008 vom Markt.

Die technische Entwicklung der Bildsensoren ist z.B. in der ISO-Leistung schon nah an Ihre Grenzen gekommen. Schnell auslesende Sensoren werden über die Addition von Sensordaten allerdings einen fast unbegrenzten Dynamik-Umfang liefern können, wenn auch mit deutlichen Einschränkungen bei bewegten Motiven. Bei kleinen Sensoren wird man immer mehr versuchen, die Bildqualität über KI zu verbessern. Das führt aber auch dazu, dass Nutzer unzufrieden werden mit den Ergebnissen der Smartphones, weil die Ergebnisse nicht mehr natürlich wirken oder im Einzelfall auch zu Fotomontagen werden, ohne dass das dem Nutzer direkt mitgeteilt wird. Wenn Sie z.B. eine Gruppe bei schwachem Licht fotografieren, wird ein neueres Smartphone für eine längere Zeit Licht sammeln, um das Rauschen zu verringern und die Dynamik zu verbessern. Die Personen bewegen sich aber dafür zu viel, so dass je nach Person der Aufnahmeabschnitt gewählt wird, der das schärfste Bild ergibt. Dieser wird je nach Person unterschiedlich sein, so dass eine zeitliche Montage entsteht bzw. ein Bild, dass es so nie gegeben hat. Gerade bei Reaktionen auf Ereignisse kann das Bild die Realität so stark verzerren.

Das GF 30mm f5,6 T/S ist wahrscheinlich das beste Shiftobjektiv, das je gebaut wurde. Wenn Sie die Wand rechts betrachten, erkennen Sie aber eine tonnenförmige Verzeichnung, die ein (Ausschnitt-beachtendes) Objektivprofil beheben könnte

Ein Wunsch für 2024 sind Objektivprofile für Shift-Objektive. Das GF30mm f5,6 T/S für Fujifilms Mittelformatkameras zeichnet die Verschiebung des Objektivs bereits in den Exif-Daten auf. Canon wird in diesem Jahr wahrscheinlich sogar Tilt-Shift-Objektive mit AF herausbringen, bei denen ich auch davon ausgehe, dass die Exif-Daten die nötigen Informationen enthalten werden. Die Entwickler der Raw-Konverter müssen ihre Objektivkorrektur so erweitern, dass sie für den Ausschnitt des Bildkreises gilt, der sich durch die Verschiebung des Objektivs ergibt.

Bei den Objektiven erwarte ich den Mut zur Nische und auch ein vermehrtes Angebot an günstigen manuellen Objektiven. Manches wird sehr seltsam wirken. Ich finde es zum Beispiel verblüffend, wie viele Standardzooms Canon für das RF-Bajonett auf den Markt gebracht hat, bevor ein Lichtstarkes 24 oder 35mm-Objektiv verfügbar ist. Letztere werden jetzt aber wohl auch endlich kommen. Der Video-Markt wird noch mehr Beachtung finden als 2023 schon. Canon hat auch schon ein APS-C Dual-Fisheye für die VR-Produktion gezeigt. Apple wird seine VR-Brille bringen, aber ich bin skeptisch, was die weitere Bedeutung betrifft. Ich habe 3D schon so häufig kommen und gehen sehen und vermute, dass das die meisten Menschen außer vielleicht junge Gamern und Gamerinnen nervt. Das Metaverse als next big thing sehe ich nicht, während ich bei KI keine Zweifel habe.

Die Nikon Z f ist zu Recht ein großer Erfolg geworden, weil sie aktuelle Technik mit einem gelungenen Retro-Design verbindet. Ich kann mir gut vorstellen, dass Canon dem Beispiel folgen wird. Zumindest scheinen sie bereits zu sondieren, welches historische Design dafür am besten Pate stehen sollte.

Ich hoffe sehr, dass Canon aufhören wird, das RF-Bajonett für AF-Objektive anderer Hersteller zu blockieren. Nikon mit seinem Z-Bajonett ist zwar nicht ganz so rigoros, hat aber noch sehr viel Luft nach oben. Die Verfügbarkeit von Fremdobjektiven ist ein gutes Argument, Sony zu wählen. Auf der Seite https://www.sigma-foto.de/objektive/ können Sie links nach Anschluss filtern. Sony E-Mount kommt auf 42 Objektive, Canon EF auf 25, bei denen aber die neuen Konstruktionen für die Spiegellosen natürlich nicht dabei sind.

Manche Dinge, die wir heute tun, werden kommenden Generationen so verrückt vorkommen wie uns heute z.B. das Verwenden von Asbestpulver als Kunstschnee auf Tannenbäumen in den 50ern oder Zahnpasta mit radioaktivem Thorium-X in den 30ern. Unser sorgloser Ressourcenverbrauch mag dazu gehören. Trotz klarer Anzeichen einer sich verstärkenden Klimakatastrophe, von der im Moment niemand weiß, wann wir Kipppunkte erreichen werden, die das ganze System so ins Rutschen bringen können, dass wir das mit CO2-Einsparungen und -Speicherung vielleicht nicht mehr kompensieren können, hatten wir im Sommer 2023 so viele Flüge wie noch nie in der Menschheitsgeschichte.
Die Russen meinen, einen Eroberungskrieg führen zu müssen, als hätten wir 1939, die Amerikaner können sich vorstellen, auch nach der Erstürmung des Kapitols noch einmal Trump zu wählen und in Europa wenden sich immer mehr Menschen den Populisten zu und setzen die Demokratie aufs Spiel, obwohl ihre Lage besser ist als in den meisten Jahrzehnten davor. China droht Taiwan offen mit einem Angriffskrieg als Teil das Planung für die nächsten fünf Jahre, von einem Risikobewusstsein ist aber in Deutschland genauso wenig zu spüren wie zu dem Zeitpunkt, als uns unsere europäischen Nachbarn vor North Stream 2 gewarnt haben.

Immerhin hatten wir in Deutschland 2023 einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion von über 50% und haben so wenig CO2 ausgestoßen, wie seit 1950 nicht mehr. Der Verkehrsbereich hängt dabei aber deutlich hinterher. Mir fehlen die positiven Zukunftsvisionen in der öffentlichen Wahrnehmung. Angst ist kein guter Berater. Eine Zukunft, in der die Menschen glücklicher und gesünder sind, das Artensterben gebremst wird und neue Entwicklungen tatsächlich eher „solutions for a small planet“ darstellen, wie es IBM einmal so schön als Werbespruch formuliert hat, und nicht zu einer Gefährdung werden, ist gar nicht so schwierig zu erreichen. In vielen Bereichen sind wir schon auf dem Weg dahin. Aber das setzt auch ein bisschen Flexibilität voraus und den Willen, notwendige Anpassungen nicht zu einem politischen Streitthema zu machen, sondern gemeinsam Probleme zu lösen und wichtige Voraussetzungen zu schaffen.

Repro einer Glasplatte von ca. Ende des 19. Jahrhunderts. Der Hafen von Concarneau.

Ich wünsche Ihnen ein gutes 2024, bleiben Sie beweglich im Kopf und in den Beinen und machen Sie was draus. Ich wünsche Ihnen Freude an der Fotografie und vielleicht können Sie in diesem Jahr auch etwas retten aus der Fotogeschichte. In zwei Jahren wird die Fotografie 200 Jahre alt, Sie finden noch sehr viel sehr günstig auf den Flohmärkten, vielleicht haben Sie auch aus der Familiengeschichte noch alte Fotografien, die es sich zu digitalisieren lohnen. An uns liegt, was die nachfolgenden Generationen aus dem ersten Jahrhundert der Fotografie (und danach) noch werden anschauen können.

Neues aus der Photobranche

Bis zum 24.9 läuft noch die Photopia: https://www.photopia-hamburg.com/

Die Messe scheint sich zu etablieren, was mich sehr freut, auch wenn der Trennungsschmerz zur Photokina bei mir noch nicht ganz verheilt ist.

Gelegenheit, einmal zu schauen, was es überhaupt Neues auf dem Fotomarkt gibt. Nikon hat eine Kamera im Retrodesign und mit mehreren Farbvarianten vorgestellt. Normalerweise gehen da bei mir die Warnlampen an, weil das oft als Notfallmaßnahme verwendet wird, wenn sich technisch nichts tut oder ein veraltetes Produkt noch einmal hübsch gemacht werden soll. Die Nikon Zf ist zwar hübsch gemacht, aber technisch der grob vergleichbaren Z6 II überlegen. Ein neuer Prozessor (gleich dem in der Z8 und Z9) und ein verbesserter AF, IBIS bis 8 Blendenstufen, Video in 10Bit und 4K in 60fps, bis zu 30 Bildern pro Sekunde und 24,5 MP machen Sie zu einer runden Kamera, die auch für Profis interessant wird, auch, weil zwei Speicherkartenslots verbaut sind. Für 2499€ UVP wird sie sich wahrscheinlich sehr gut verkaufen, auch weil sie schön ist. Ich habe meine alte Nikon FE aus dem Schrank geholt und kann sehr viele Ähnlichkeiten feststellen.

Die Nikon Zf Bild: Nikon

Fujifilm hat sich im Bereich der alltagstauglichen Mittelformatkameras bereits ein Namen gemacht. Mit der GFX 100 II haben sie nun den Abstand zu den Vollformatkameras bei der Actiontauglichkeit noch einmal verringert. Der Sensor liest schneller aus, die Kamera schafft 8 Bilder pro Sekunde (mit 102 MP) und der AF verwendet eine Motivverfolgung, die einer aktuellen Sony nicht unähnlich ist. Der Sucher ist mit 9,44MP und einer Vergrößerung von 1,0 wahrscheinlich der beste des Fotomarktes. Die Kamera schafft im Video 8K30 in 10Bit, allerdings mit etwas Crop. Über die volle Sensorbreite geht der 4K60-Modus in 10Bit. Eine sehr schöne Kamera, mit knapp 8000 € aber nicht für jeden. Da anfangs nur 1500 Stück pro Monat gebaut werden sollen, wird sie wahrscheinlich für einige Monate schlecht verfügbar sein, denn sie hat bislang keine echte Konkurrenz in ihrer Klasse. Wenngleich für die meisten die GFX100S ausreichen wird, die etwas langsamer ist und deren AF etwas altmodischer arbeitet und die immerhin 2500 € weniger kostet.

Ebenso neu sind drei Mitteformatobjektive, ein 55mm f1,7, dass bei Vollformat einem 43mm f1,3 entsprechen würde und zwei Tilt-/Shift-Objektive mit Blende 5,6: ein 30mm Weitwinkel und ein 110mm Tele. Diese Objektive haben noch 15 mm Verstellweg und übertragen diese Einstellung auch in die EXIF-Daten, was für die Bildkorrektur ein echter Vorteil ist. Eine Stativhalterung ist im Lieferumfang, so dass Sie die Kamera und nicht das Objektiv verschieben können, somit der Augpunkt gleich bleibt und sich die Bilder leicht stitchen lassen. Das 30er finde ich sehr reizvoll, ich kann mich aber bei 4499€, 1,34kg und 105mm-Filterdurchmesser beherrschen.

Um Canon ist es gerade etwas ruhig, aber es werden wohl etliche neue Objektive kommen, man munkelt auch, dass das RF70-200mm f2,8L in einer Version mit Innenzoom kommen wird, weil das einige Profis vermisst haben. Die R5 wartet auf ihren Nachfolger und die R1 sollte auch vor der Olympiade verfügbar werden, zumindest für eine Anzahl von Profis.

Die Zeit der großen Schritte bei der Bildqualität ist vorbei, denn auf der rein physikalischen Seite sind die Sensoren schon sehr effizient. Die schlechtere Bildqualität bei schwächerem Licht rührt nicht mehr von mangelnder Empfindlichkeit her, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass gar nicht mehr für jedes Pixel überhaupt ein Photon ankommt. Der Dynamikumfang bei gutem Licht kann noch besser werden, die Auflösung auch, aber auch hier kommt man schnell an die Beugungsgrenze des Lichts und benötigt extrem genaue Objektive. Aber um ehrlich zu sein: Die technische Bildqualität ist meist sehr viel höher, als es die Verwendung der Bilder erfordern würde. Ein kleines Beispiel:

Mein letztes Instagram-Foto. Auch dieses Bild entspricht nur knapp der Hälfte des Originalbilds

Ein 1:1-Auschnitt des Originalbilds

Adobe ändert ab 1.11 sein Preismodell. KI-Verwendung kostet ab dann Credits, von denen eine Zahl beim Abo dabei ist, darüber hinaus aber durch ein Extra-Abo erweitert werden muss. Mehr unter https://blog.adobe.com/de/publish/2023/09/13/alles-neu-ki-gesteuerte-creative-cloud-version-und-preis-update

Leider lassen sich nicht einfach Credits erwerben, wenn man gerade einen Job hat, der verstärkt KI erfordern sollte. Der Trend geht leider dazu, Abos zu verkaufen, die dazu führen, dass Sie für Dinge regelmäßig bezahlen, die Sie nur gelegentlich benötigen. Der Trend in meiner persönlichen Arbeit geht allerdings dahin, dass ich nicht mal mehr herumliegenden Müll wegstempele, sondern absolut dokumentarisch arbeite. Das heißt nicht, dass ich nicht mit den KI-Möglichkeiten spiele und nicht alles ausprobiere, was neu ist. Das meiste davon ist für meine Arbeit allerdings irrelevant. Im Video gibt es allerdings spannende Anwendungen, wie automatische Untertitel, automatischen Kamerawechsel nach Sprecher oder sogar eine komplette Synchronisation in einer anderen Sprache inkl. neuer Mundbewegungen. KI wird normal werden, vieles erleichtern, aber auch zu einer Menge Schrott und Ärger führen. Schon heute sind 90% der unseriösen Internet-Werbung KI-bebildert.

Zum Abschluss noch eine traurige Nachricht: Der Fotograf Erwin Olaf ist gestorben: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/der-fotograf-erwin-olaf-ist-gestorben-von-der-schwulenszene-ins-koenigshaus-19189885.html

Was bisher geschah (ein Update)

Ich war in der letzten Zeit sehr beschäftigt mit neuen Büchern zur EOS R6 Mark II, der EOS R50 und der EOS R8, deswegen war es hier etwas ruhiger. In der Zwischenzeit ist jedoch einiges passiert.

  • Es gibt neue Firmwares für die R7, die R6 Mark II und die R6, die jedoch hauptsächlich eine Verbesserung der Touchscreen-Empfindlichkeit beinhalten und bei der R6 Mark II das Laden des zweiten Akkus im Batteriegriff.
  • Nikon hat die Z8 herausgebracht, die nah an der z9 ist, aber ein kompakteres Gehäuse mitbringt und günstiger ist. Sie konkurriert mit der EOS R5, die inzwischen 500€ günstiger geworden ist. Eine sehr schöne Kamera für Foto und Video (45MP, 8,3K Video in 12 Bit, AF bis -9 LW, 4599€ UVP)
  • Eine Nachricht, die davon sprach, dass mit dem Meike 85mm 1,4 das erste AF-Fremdobjektiv für RF mit Canons Erlaubnis erscheint, hat sich inzwischen als nicht richtig erwiesen. Canon blockiert auch fünf Jahre nach der Einführung das Bajonett für andere Hersteller. Wenn Canon sich nicht bald dem Wettbewerb stellt, werden Sie viele ihrer Kunden verärgert haben. Ich selbst habe dafür keinerlei Verständnis mehr.
  • Canon hat die R100 vorgestellt, eine Einsteigerkamera, die deutlich langsamer als die anderen ist und auf einen Touchscreen verzichtet. Da sie auch nur ein Einstellrad hat, wird die vollmanuelle Bedienung etwas fummelig. Das ist für die Zielgruppe vielleicht auch nicht so wichtig, wer ambitionierter ist, sollte sich aber etwas weiter oben im Angebot umsehen, R50, wenn die Puffergröße für Reihenaufnahmen nicht so wichtig ist, R10, um mehr Bedienelemente und ein etwas größeren Body zu erhalten oder sogar R7, wenn die Kamera zwei Speicherkartenslots haben und von der Verarbeitung eher Richtung Profikamera gehen soll.
  • Der Nachfolger des EF300mm f2,8L IS II USM ist ein Zoom geworden, das RF100-300mm f2,8L IS USM, damit gibt es nun kein natives Supertele mehr unter 10.000€.
  • Canon hat ein Pancake vorgestellt, das RF28mm f2,8 STM. Das kürzere Auflagemaß macht kürzere Brennweiten als Pancake für Vollformat möglich, bei EF gab es nur ein 40mm f2,8 STM.
  • Photoshop unterstützt nun die Bilderweiterung per Texteingabe mittels KI. Bislang nur in der Beta, aber die können Sie herunterladen und neben ihrer Installation betreiben.
  • Nochmal KI: In den letzten Monaten und wenigen Jahren sind Tools herausgekommen, die Bilder aus Text erzeugen , Texte zusammenstellen, Programmcode erzeugen, Texte vorlesen mit der Stimme einer bestimmten Person, Videos erstellen mit einer Person oder einem Schauspieler, die komplett generiert sind oder über das Video einer andere Person gelegt werden. Bilder entrauschen und dreidimensional umwandeln (neural radiance fields neRV). Aber auch neue Medikamente, Drogen oder Gifte entwerfen, einen Kampfjet fliegen, Satellitenbilder nach militärischen Gesichtspunkten auswerten, astronomische Messdaten durchsuchen, Aufgaben nach Zielvorgabe abarbeiten etc. Vieles davon ist inzwischen so einfach geworden, dass Sie das selbst auf einem leistungsfähigen PC (oder Mac) installieren können. Und das ist erst ein winziger Anfang einer exponentiell verlaufenden Entwicklung. Die Fragen nach dem Copyright von KI-Aufnahmen oder welche Jobs ersetzt werden können sind harmlos gegenüber denen, die uns bevorstehen. Die Erschaffung einer technologischen Singularität, die kognitiv und technisch in der Lage ist, die weitere Entwicklung ihrer Fähigkeiten selbst zu gestalten, ist nicht nur möglich sondern wohl viel näher, als die meisten das denken. Wir Menschen wären dann nicht mehr ansatzweise in der Lage, die weitere Entwicklung zu verstehen und vielleicht auch nicht mehr, sie zu beeinflussen. Im schlechtesten Fall sind wir dann nur noch eine Konkurrenz um Ressourcen. Das es uns dann besser gehen sollte als den Wildtieren im Anthropozän, ist nicht abzusehen. Die nächsten Level werden jedenfalls immer schneller werden, ob es dann irgendwann „Game over!“ heißt oder die Maschinen mit uns das Spiel auch zu unserem Vorteil weiterspielen, ist bislang offen. Meiner Meinung nach steuern wir auf die anspruchsvollste Kurve der Menschheitsgeschichte zu und das so bald, dass die meisten von uns das noch erleben werden und dann wahrscheinlich irgendwo auch noch Fax-Geräte im Einsatz sein werden ;).